Selbst gemacht: Energie fürs Eigenheim

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Die Idee, ein Haus selbst zu bauen, ist eigentlich schon verrückt genug. Aber das Projekt dann ganz allein umzusetzen, grenzt an Wahnsinn. Fabian von Berlepsch macht es trotzdem. Und baut ein Haus für seine Familie. Einliegerwohnungen inklusive. Sein Ziel: Die Energieversorgung soll möglichst klimafreundlich und autark vom öffentlichen Stromnetz sein. Selbst erzeugter Solarstrom soll dabei eine Hauptrolle spielen. Wie er das macht und was er dabei von Schlossmauern gelernt hat, erfahrt ihr hier.
Gedacht war alles ursprünglich ein wenig anders. Dass Fabian mit seiner Vorliebe für das Handwerken und Selbermachen an seinem Haus viel Eigenleistung einbringen wollte, war gesetzt. Aber es sollte immerhin Helfer geben. Doch kurz vor dem Baustart und nach 1.300 Stunden akribischer Planung, kam 2021 die Corona-Pandemie dazwischen. Mit Folgen, die viele noch gut kennen: Materialkosten stiegen aufgrund mangelnder Verfügbarkeit heftig, Abstandsvorschriften mussten eingehalten werden etc. So mussten die Helfer schweren Herzens gestrichen werden, ehe es endlich losgehen konnte im nordhessischen Gertenbach bei Witzenhausen. Seitdem ist das beschauliche Dorf in Sichtweite von Schloss Berlepsch um eine Attraktion reicher.
Rund 3.000 Arbeitsstunden später kommt inzwischen auch das Energiesystem in Sichtweite. Die Photovoltaik-Module liegen bereits auf dem Dach: 40 Kilowatt Peak in Nord- und Südausrichtung. Auch die Wechselrichter und die Batteriespeicher sind bereits vor Ort. Aber bis zum Anschluss ist noch einiges zu tun.

Von Anfang an selbst aktiv: Fabian bei den Vorbereitungen für die Bodenplatte. Foto: Fabian von Berlepsch.
Die Gelegenheit nutzen wir und sprechen mit Fabian über sein Lebensprojekt. Eigentlich hat Freiherr Fabian von Berlepsch seine Wirkstätte auf Schloss Berlepsch im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis. Hier plant er vielseitige Veranstaltungen wie Mittelalterfeste, Erlebnis-Dinner, klassische Konzerte, Themen-Partys und Hochzeiten und verantwortet die Gastronomie. Nun also zusätzlich die Baustelle in Gertenbach.
Als wir erstmals von den energetischen Plänen hörten, wurden wir hellhörig. Da ist einer, der maximal unabhängig sein möchte. Und der über den Tellerrand denkt. Jemand, der die Zukunft mitgestalten will und dafür das Machbare möglich macht. Klingt mindestens ebenso spannend wie herausfordernd. Wir stellen drei wichtige Elemente des Energiekonzepts vor.
1. Das Haus als Kraftwerk betrachten
Bei der Energieversorgung für das Haus geht es Fabian um den Dreiklang aus Energetik, Kosten und Machbarkeit. Es brauchte insgesamt 18 Entwürfe, bis das Energiesystem inklusive Betonkernaktivierung, PV-Anlage, Wärmepumpe und Ladelösungen für Elektromobilität stand.
Den Anfang macht die Dämmung. Die hat Fabian ein wenig weitergedacht. So liegt etwa der Dachstuhl mit Sparren und Pfetten hinter der Dämmebene. Was das bringt? „Die Kombination aus Zwischensparrendämmung und Untersparrendämmung beseitigt Wärmebrücken im Bereich der Sparren und erhöht den Wärmeschutz”, sagt er.
Die Wärmeversorgung soll größtenteils eine Wärmepumpe übernehmen. Dabei fasziniert Fabian das physikalische Prinzip: Die Wärme kommt direkt aus der Umgebung und wird mittels elektrischen Stroms auf ein höheres Niveau gebracht.
Eine kontrollierte und zentral organisierte Wohnraumlüftung (KWL) soll schließlich dafür sorgen, dass die verbrauchte Luft erneuert wird. Dabei gibt die warme, verbrauchte Luft ihre Energie über einen Wärmetauscher an die frische, kalte Luft ab. So lässt sich ein Großteil der Wärme rekuperieren (Anmerkung: Als Rekuperation bezeichnet man in der Technik die Rückgewinnung von Energie. Latein „recuperatio”: Wiedererlangung, Wiedererwerbung).
2. Von alten Schlossmauern lernen
Auch die Gebäudemasse selbst ist fester Bestandteil der Energetik. Sie dient ganzjährig als Akkumulator. Fabian hat eine sogenannte Betonkernaktivierung (BKA) eingebaut, bei der die Decken als Kühldecken dienen. Wie bei einer Fußbodenheizung sind in die Filigrandecken (Betonschalung der Betondecken) Heizungsrohre verlegt. Im Sommer pumpt die Wärmepumpe im Inversverfahren die Wärme aus den Betondecken ab. Die warme Luft, die in den Räumen aufsteigt, wird dann an der Decke gekühlt. Ein Phänomen, das er an den dicken Mauern auf Schloss Berlepsch beobachtet hat. Die über vier Meter dicken Wände halten das Schlossgewölbe selbst im heißesten Sommer angenehm frisch. Die Mauern können so viel Wärme aufnehmen, dass sie über den kompletten Sommer nicht gesättigt sind. Im Winter funktioniert es genau andersherum: Dann pumpt die BKA Wärme in die Betonmasse des Gebäudes, wenn die Sonne scheint oder der Tarif günstig ist, die dann langsam an die Umgebung abgeben wird.
Und schließlich dann die elektrische Versorgung des Gebäudes über Solarstrom. Die Dachfläche hat Fabian dabei so gestaltet, dass Sonnenernte maximal ausfällt. So hat die Nordseite einen flacheren Neigungswinkel, um den Wirkungsgrad zu erhöhen. Energieüberschüsse speichert eine Batterie zwischen und stellt sie nach Bedarf zur Verfügung.

Basis für die erneuerbare Energieversorgung im Hause Berlepsch: Die PV-Anlage auf dem Nord- und Süddach ist 40 Kilowatt Peak groß. Foto: Fabian von Berlepsch.
Gut zu wissen: Diffuse Strahlung wird von PV-Modulen auf der Nordseite gut absorbiert. Gleichzeitig fällt die Leistungsminderung der PV-Module durch Hitze auf der Nordseite geringer aus.
3. Den gesamten Haushalt intelligent vernetzen
Das Sahnehäubchen ist schließlich die intelligente Steuerung des gesamten Energiesystems. Sie managt sämtliche Energieflüsse automatisch und optimiert so das Zusammenspiel der verschiedenen technischen Einrichtungen. Zusätzlichen sollen bidirektionale Lademöglichkeiten für die Fahrzeuge und dynamische Stromtarife weitere Kosteneinsparungen ermöglichen. Und auch für einen Beitrag zur Entlastung des öffentlichen Stromnetzes sorgen.
Das Haus in Gertenbach wird also kein Schloss, sondern ein modernes Kraftwerk. Der sehr technische Begriff gefällt Ehefrau Daniela bisher zwar noch nicht. Aber sie kennt ihren Mann zu gut: Die Mischung aus Komfort und nachhaltigen Optimierungszielen wird aufgehen, ist sie überzeugt. Weil er bisher alles geschafft hat, was er sich vorgenommen hat. Vielleicht findet sich auch noch ein passenderer Name für das Haus, das einmal genug Energie für drei Haushalte erzeugen soll – und darüber hinaus gerne auch noch zusätzliche Erträge erwirtschaften darf. Vorschläge sind willkommen.
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