Was ist bidirektionales Laden? So wird der Fahrzeugakku zum Energiespeicher

Was ist bidirektionales Laden?

Bidirektional laden heißt, das Elektrofahrzeug kann nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch zurückspeisen. Und sogar das Eigenheim mit Strom versorgen. Kein Wunder, dass bidirektionales Laden seit Jahren als Revolution der Energietechnik gefeiert wird. Aber ist dem wirklich so? Im Beitrag erfahrt ihr, was dran ist am Thema, wie die Technologie funktioniert und welche Möglichkeiten es dabei gibt.

Elektrofahrzeuge haben sich längst von einer Nische zum Massenmarkt entwickelt. Immer mehr Stromer sind auf unseren Straßen unterwegs. Im April 2025 waren in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt über 2,6 Millionen PKW mit Elektro-Antrieb zugelassen.
Die Kombination mit einer Solaranlage auf dem Dach ermöglicht ein kostengünstiges Aufladen des E-Autos zuhause. Da Fahrzeuge ohnehin eher „Stehzeuge“ sind, könnten Traktionsbatterien auch als mobile Heimspeicher einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Welche Möglichkeiten bietet die Technologie des bidirektionalen Ladens? Welche Regeln und Voraussetzungen gelten? Und was steht einer flächendeckenden Nutzung dabei eigentlich noch im Weg? Ein Blick auf die Grundlagen der Technik, das aktuelle Marktumfeld und den Stand der Dinge bei SMA.

Welche Technologien gibt es für bidirektionales Laden?

Aktuell werden Elektrofahrzeuge in der Regel unidirektional geladen. Der im Haushalt verwendete Wechselstrom (AC) fließt dabei vom Haus bzw. öffentlichen Stromnetz ins Fahrzeug, wird vom sogenannten On-Board-Charger (OBC) in Gleichstrom (DC) umgewandelt und in der Traktionsbatterie gespeichert.
Im Unterschied dazu kann der Strom beim bidirektionalen Laden in zwei Richtungen fließen, also zusätzlich vom Fahrzeug wieder zurück ins Haus- bzw. in das Stromnetz. Das Fahrzeug wird so zum mobilen Energiespeicher und kann elektrische Verbraucher versorgen. Für die Umwandlung benötigt man dabei einen Wechselrichter. Wie bei Solaranlagen wandelt dieser den von der Fahrzeugbatterie bereitgestellten Gleichstrom in Wechselstrom um und synchronisiert ihn mit dem Stromnetz. Die Kommunikation zwischen Ladestation und Fahrzeug erfolgt dabei über den Kommunikationsstandard ISO 15118-20. Je nach verwendeter Technologie (AC- oder DC-Bidirektional) ist der Wechselrichter entweder im Fahrzeug (als OBC) oder in der Ladestation verbaut.

 

1. Bidirektionales AC-Laden

Bei der bidirektionalen AC-Ladung befindet sich der Wechselrichter ebenso wie beim unidirektionalen AC-Laden im Fahrzeug. Der Einbau dieser On-Board-Lader verursacht Kosten im Fahrzeug. Es gibt zwar keine spezifischen Vorschriften, die einen On-Board-Lader im Fahrzeug vorschreiben, die praktische Notwendigkeit und die Flexibilität als Verbraucheranforderungen machen ihn jedoch bis auf weiteres zu einem unverzichtbaren Bestandteil. Das zusätzliche Gewicht ist hier nicht signifikant.

 

2. Bidirektionales DC-Laden

Bei der bidirektionalen DC-Ladung befindet sich der Wechselrichter nicht im Fahrzeug, sondern in der Ladestation. Aufwände und die damit verbundenen Kosten, länderspezifische Netzanforderungen abzubilden, verlagern sich damit vom Fahrzeug auf die stationäre Ladestation. Damit sinkt die Komplexität für die Fahrzeughersteller, es steigt jedoch der Entwicklungsaufwand bei den Herstellern der Ladestationen, die aufgrund überwiegend proprietärer Umsetzungen aktuell nur in Kooperation mit Fahrzeugherstellern ein Produkt entwickeln können.

 Bidirektionale Ladetechnologien für Elektroautos

Bidirektionale Ladetechnologien für Elektroautos.

Welche Vorteile bietet bidirektionales Laden für Haushalte und das Stromnetz?

Bei der Technologiefrage scheiden sich die Geister. Beide Technologien bieten ihre Vor- und Nachteile. Im insgesamt jungen und sich weiter entwickelnden Elektromobilitätsmarkt werden wir vermutlich zunächst beide Lösungsansätze sehen.
Verglichen mit den Investitionskosten des bidirektionalen DC-Ladens hat das bidirektionale AC-Laden bei der Wirtschaftlichkeit die Nase vorn. Auch das Argument, die Ladeleistung beim AC-Laden sei zu klein, zählt nur bedingt. Insbesondere im Heimbereich sind die Netzanschlusskapazitäten begrenzt (Netzanschlusspunkt). Hier sind 11 bzw. 22 kW Ladeleistung mehr als ausreichend, um den Energiebedarf im Haushalt zu decken.
Es bleibt spannend, welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird – oder ob sich beide dauerhaft behaupten. Volvo hat beispielsweise angekündigt, mit dem EX90 beide Varianten in einem Fahrzeug zu kombinieren. Am Ende entscheidet also der Nutzer, ob AC- oder DC-bidirektional geladen bzw. entladen wird.

Welche Varianten gibt es beim bidirektionalen Laden?

Neben den Ladetechnologien AC oder DC unterscheidet man außerdem drei Varianten des bidirektionalen Ladens.

 

V2L – Vehicle-to-Load

Die einfachste Variante des bidirektionalen Ladens nutzt eine Schuko-Steckdose im Fahrzeug. An diese sogenannte Vehicle-to-Load-Funktion werden die elektrischen Verbraucher direkt angeschlossen. Teilweise wird dies auch über einen gesonderten Adapter über die Ladesteckdose des Fahrzeugs realisiert. Technisch und regulatorisch sind die Voraussetzung dazu bereits heute gegeben. Fahrzeugmodelle wie der Hyundai Ioniq, der Kia Niro oder der MG 4/5 bieten diese Funktion mit bis zu 3,6 kW bereits an. Praktisch ist dies beispielsweise zur Nachladung eines Laptops auf Reisen, für Camper, die unterwegs Strom benötigen oder Handwerker, die elektrisch angetriebene Werkzeuge betreiben möchten.

 

V2H – Vehicle-to-Home

Mit der Vehicle-to-Home Funktion versorgt man das komplette Eigenheim mit Strom aus der Fahrzeugbatterie. Dabei wird das Elektrofahrzeug mit einer bidirektionalen Wallbox verbunden. So kann Strom aus der Traktionsbatterie ans Haus abgeben werden.

Mögliche Anwendungsfälle sind:

  • Eigenverbrauchsoptimierung in Verbindung mit einer PV-Anlage: Überschüssiger Solarstroms wird in der Fahrzeugbatterie zwischengespeichert.
  • Kostenoptimierte Nutzung dynamischer Stromtarife: Bevorzugtes Laden in Niedertarifzeiten, Entladung zur Versorgung des Haushaltes zu Hochtarifzeiten.
  • Not- oder Ersatzstromversorgung mit einer entsprechenden Netztrennvorrichtung.

 

V2G – Vehicle-to-Grid

Die anspruchsvollste Variante des bidirektionalen Ladens ist die sogenannte Vehicle-to-Grid-Funktion. Dabei wird Strom aus der Fahrzeugbatterie ins öffentliche Stromnetz eingespeist, um netzstützende Funktionen zu übernehmen. Hierbei müssen Fahrzeug, Ladestation und das Stromnetz entsprechende Rahmenbedingungen erfüllen. In Deutschland wird mit §14a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) ein Kommunikationskanal über das Smart Meter Gateway festgelegt – die Grundlage für ein gesteuertes, netzdienliches Entladen der Traktionsbatterie.
Diese Variante bietet das größte Potential, den Netzausbau zu verringern. Die Speicherkapazität von Traktionsbatterien überschreitet bereits heute die aller Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland um den Faktor 3,5 (Stand Feb. 2025).

Wann kommt bidirektionales Laden?

Regulatorische Hemmnisse beim bidirektionalen Laden

Die größte Herausforderung für das bidirektionale Laden liegt neben den technischen Anforderungen in der Politik. Hier könnten schnelle Gesetzesentwürfe die Entwicklungen beflügeln. Eine Zusammenfassung der nötigen Maßnahmen auf deutscher und europäischer Ebene gab es bereits im März 2022 im Positionspapier „Initiative Bidirektionales Laden“.

Überblick über zentrale Richtlinien, Rechtsnormen und Standards; hier dargestellt als vereinfachte Variante des Originals in Initiative Bidirektionales Laden

Überblick über zentrale Richtlinien, Rechtsnormen und Standards; hier dargestellt als vereinfachte Variante des Originals in „Initiative Bidirektionales Laden Positionspapier März 2022.pdf“, Seite 30, Abbildung 8.

Beispiel 1: Garantiebedingungen der Traktionsbatterie

Die Garantiebedingungen der verschiedenen Fahrzeughersteller unterscheiden sich derzeit erheblich hinsichtlich der Anwendung des bidirektionalen Ladens. Nutzer*innen fehlen hier einheitliche und attraktive Anwendungsfälle. So sind beispielsweise in den Volkswagen ID.-Modellen ab Software 3.5 die Funktionen Entladen und bidirektionales Laden bei Erreichen der vorgesehenen Betriebsdauer oder Energiemenge nicht mehr verfügbar. Es gelten folgende Beschränkungen:

  • Maximale Entladungsmenge: bis zu 10.000 kWh
  • Maximale Betriebsdauer: bis zu 4.000 Stunden
  • Nutzung nur zwischen 20 % und 80 % State of Charge (SOC)

 

Beispiel 2: Belastung durch Steuern, Abgaben und Umlagen

Nach aktueller Gesetzgebung entfallen Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom, der in die Traktionsbatterie geladen wird, sowie auf Strom, der ins öffentliche Stromnetz zurückgespeist wird. Elektrofahrzeuge sind beim Entladen lediglich von der KWKG-Umlage, der Offshore-Netzumlage sowie der §19 StromNEV-Umlage befreit. Diese machen jedoch nur etwa zehn Prozent der gesamten Belastung aus. Im Gegensatz dazu sind stationäre Batteriespeicher von der Stromsteuer und den Netzentgelten befreit. Eine rechtliche Gleichstellung der mobilen Traktionsbatterie mit stationären Speichern könnte diese Ungleichbehandlung beseitigen.

 

Beispiel 3: Kommunikationsprotokolle zur Steuerung und digitalen Marktanbindung

Wichtig für die flächendeckende Einführung des bidirektionalen Ladens ist die Weiterentwicklung der Kommunikationsstandards zwischen Fahrzeugen, Ladeeinrichtungen und dem Stromnetz. Die ISO 15118-20 (Nachfolger der bisherigen ISO 15118-2) legt dabei die Grundlage für das bidirektionale Laden fest. Sie erweitert die bestehende Norm um Funktionen wie Plug&Charge für einfachere Authentifizierung, V2G (Vehicle-to-Grid) für netzdienliche Rückspeisung und eine verbesserte Datenkommunikation.

Die Implementierung der Norm in bestehende Ladeinfrastrukturen erfolgt jedoch nur sehr schleppend, da ältere Ladestationen und Fahrzeuge häufig nicht kompatibel sind. Zudem bestehen noch Unklarheiten bezüglich der standardisierten Steuerung der Energieflüsse und der netzseitigen Anforderungen an bidirektionale Ladepunkte.

Auch sind Fragen zur Datensicherheit sowie zum Schutz der Fahrzeug- und Nutzerdaten nicht abschließend geklärt. Sind diese Herausforderungen gelöst, können bidirektionale Ladevorgänge reibungslos in den Energiemarkt integriert werden.

Welche Wallbox kann bidirektionales Laden?

Die Wallbox SMA eCharger ist bereits für das bidirektionale Laden vorbereitet. Die Herausforderungen für bidirektionale AC-Wallboxen wurde oben bereits beschrieben: Es gibt kaum Fahrzeuge, die einen bidirektionalen On-Board-Lader haben, Kommunikationsstandards sind noch nicht final verabschiedet. Aber auch ohne die bidirektionale Ladefunktion gilt: Die Kombination aus großem Fahrzeugspeicher, PV-Erzeugung und Heimenergiemanagement ermöglicht es Anwender*innen ihren selbstproduzierten Sonnenstrom effizient zu nutzen und Stromkosten zu sparen.

Wann wird bidirektionales Laden in Deutschland erlaubt?

Wann bidirektionales Laden flächendeckend erlaubt und zu attraktiven Kosten verfügbar sein wird, lässt sich aktuell schwer prognostizieren. Die grundsätzliche technische Machbarkeit ist bereits in diversen Pilotprojekten erfolgreich bewiesen.

Das fehlt noch, damit sich bidirektionales Laden im Ladealltag etablieren kann:

  • Flächendeckende und normkonforme Standards
  • Sicherer rechtlicher Rahmen
  • Attraktive Geschäftsmodelle für Anwender*innen

Elektrofahrzeuge bieten mit ihren Speicherkapazitäten ein enormes Potenzial bei der Transformation der Energieversorgung hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien und damit zum Gelingen der Energiewende.

Experten-Interview zum Thema „bidirektionales Laden“

Versuchsaufbau und Energieflüsse beim bidirektionalen DC-Laden im Rahmen des Forschungsprojekts INEES

Versuchsaufbau und Energieflüsse beim bidirektionalen DC-Laden im Rahmen des Forschungsprojekts INEES.

Erfahrungen mit dem bidirektionalen Laden sammelt SMA bereits seit 2012 und war in einigen Forschungsprojekten dabei. Im Sommer 2016 legte das Forschungsprojekt „INEES“ (Intelligente Netzanbindung von Elektrofahrzeugen zur Erbringung von Systemdienstleistungen) den Abschlussbericht vor. Darin liefern die Kooperationspartner Volkswagen AG, LichtBlick SE, SMA und das Fraunhofer Institut Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) wichtige Erkenntnisse für die Anbindung von Elektrofahrzeugen an das öffentliche Stromnetz. Sie zeigen, dass es technisch möglich ist, durch Einbindung von Elektrofahrzeugen Netzschwankungen aufzufangen.

Hier findet ihr den INEES-Abschlussbericht.

 

Vier Fragen an Rolf Hockauf, SMA Innovation Manager E-Mobility

 

Wie ist der aktuelle Stand beim Thema bidirektionales Laden bei SMA?

Im Dezember 2024 haben wir ein Verbundförderprojekt erfolgreich abgeschlossen, in dem ein Batteriewechselrichter zu einer bidirektionalen DC-Wallbox umgebaut wurde. Diese Wallbox wurde für die Anwendung innerhalb eines Eigenheims konzipiert (V2H) und arbeitet im Zusammenspiel von PV-Erzeugung und Hausverbrauchern.

 

Welche Herausforderungen galt es zu lösen?

Die Herausforderung dabei bestand zum einen darin, die Leistungselektronik des Wechselrichters über den sogenannten Ladecontroller anzusteuern. Zum anderen darin, dem Ladecontroller über das Heimenergiemanagement mit Sunny Home Manager 2.0 die benötigte Energiemenge zuzuweisen. Der finale Aufbau ermöglichte es in Kombination aus PV-Erzeugung und zusätzlicher Energie aus dem Fahrzeugakku alle Hausverbraucher über den Sunny Home Manager 2.0 zu versorgen und somit den Netzbezug weiter zu reduzieren (siehe Bild „Versuchsaufbau und Energieflüsse beim bidirektionalen DC-Laden“).

 

Was ist das Ergebnis des Projekts?

Je nach Haushaltsverbrauch und Verfügbarkeit des Elektroautos lassen sich auf diese Weise zwischen 200 € und 500 € Stromkosten jährlich sparen. Der im Förderprojekt entwickelte Prototyp ist allerdings leider noch kein seriennahes Gerät – und wird so schnell auch nicht als Produkt erhältlich sein. Denn neben der Regulatorik sind auch technische Piloten immer abhängig von den Automobilherstellern. Diese sind leider in keinem unserer aktuellen Forschungsprojekte beteiligt. Ich versuche aber stetig, mein Netzwerk diesbezüglich zu erweitern und somit auch Kooperationen auf Seite der Fahrzeughersteller anzustoßen. Vielleicht wird durch diesen Beitrag jemand auf uns aufmerksam, dann freue ich mich über eine Kontaktaufnahme 😊.

 

Wann schätzt du kommt das bidirektionale Laden für alle?

In zahlreichen Gesprächen mit Branchenexpert*innen auf der Intersolar Europe 2025 und der Power2Drive Europe 2025 in München Anfang Mai lautete der Tenor, dass eine durchgehende Interoperabilität zwischen Wallboxen und Fahrzeugen wohl frühstens 2027 erreicht werden kann.

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