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Wie große Batteriespeicher in der Schweiz zur Netzstabilisierung beitragen

Der Schweizer Kanton St. Gallen ist Heimat von rund einer halben Million Menschen. Hier treiben Batteriegroßspeicher (Battery Energy Storage Systems, BESS) die Energiewende voran. Ausgestattet mit grid-forming-fähigen Wechselrichtern übernehmen sie essenzielle Funktionen: Sie stabilisieren das öffentliche Stromnetz, das zunehmend auf wechselrichterbasierte Ressourcen wie Wind, Solarenergie und Batteriespeicher statt auf konventionelle, fossile Kraftwerke setzt. Gleichzeitig eröffnen sie neue Geschäftsmöglichkeiten.

Auch wenn diese Anlagen im internationalen Vergleich klein erscheinen, zeigen sie, wie diese netzbildenden Speichertechnologien in der Schweiz erfolgreich eingesetzt werden können, um Versorgungssicherheit und lokale Netzstabilität zu gewährleisten.

Hier erfahrt ihr, wie Batteriespeicher die sichere Energieversorgung des Alpenlandes entscheidend mitgestalten.

Warum sind Batteriespeicher in der Schweiz so wichtig?

Der Kanton St. Gallen ist ein kultureller Knotenpunkt der Ostschweiz. Er verbindet Tradition und Fortschritt und ist bekannt für seine lebendigen Bräuche wie Alpaufzüge, Viehmärkte, Chilbis und den Alpsegen. Heute rückt er auch in den Fokus der Energiewende, hier entsteht ein “MVPS-Valley”.

In den letzten Jahren wurden mehrere Batteriegroßspeicher installiert. Sie sind über verschiedene Standorte im Kanton verteilt, tragen zu einer stabilen lokalen Energieversorgung bei und unterstützen die Integration erneuerbarer Energien.

Die Schweiz plant, ihre Stromversorgung bis 2050 vollständig auf erneuerbare Quellen umzustellen. Dafür werden rund 37 Terawattstunden (TWh) erneuerbarer Strom benötigt.

Batteriespeicher mit grid-forming-fähigen Batteriewechselrichtern können im Bedarfsfall netzbildend arbeiten und Systemdienstleistungen wie Momentanreserve oder Schwarzstartfähigkeit bereitstellen. Über die Bereitstellung von Systemdienstleistungen im Regelenergiemarkt können sie zusätzliche Einnahmen generieren.

In ausgewählten Projekten kommen die Wechselrichter in der schlüsselfertigen Mittelspannungslösung von SMA, der Medium Voltage Power Station (MVPS), zum Einsatz. Ein besonderer Vorteil der MVPS: Sie kann auch auf begrenztem Raum effizient installiert und betrieben werden.

Geografische Herausforderungen der Schweiz

Als Binnenland inmitten der Alpen hat die Schweiz eine komplexe Infrastruktur. Etwa 70 Prozent der Fläche bestehen aus Bergregionen, was die Schaffung und den Betrieb von Energieinfrastrukturen erschwert. Die föderale Struktur des Landes erfordert zudem, dass 26 teilsouveräne Kantone ihre Energiefragen weitgehend eigenständig regeln.

Dies stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität und Transformation der Energiesysteme.

Batteriespeicher als regelndes Element

Um das öffentliche Stromnetz stabil zu halten, muss die Frequenz konstant bei 50 Hertz liegen. Dies wird erreicht, wenn Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen sind. Batteriespeichersysteme (BESS) übernehmen dabei eine flexible, regelnde Funktion:

  • Sie gleichen Lastschwankungen aus, indem sie Energie bei Bedarf bereitstellen oder überschüssige Energie speichern.
  • Sie stabilisieren Netzfrequenz und Spannung durch Momentanreserve und Regelenergie.
  • Im Störfall übernehmen sie Schwarzstartfunktionen zur Wiederherstellung des Stromnetzes.

Einsatzbereiche von BESS:

  • Übertragungsnetz (220-380 kV): Transportiert Strom über weite Strecken und verbindet Regionen sowie internationale Nachbarstaaten.
  • Hochspannungsnetz (36-150 kV): Verteilt Strom an Industriestandorte und in größere Regionen.
  • Mittelspannungsnetz (1-36 kV): Lokale Verteilung von Strom, z. B. in Städten oder ländlichen Gebieten.
  • Niederspannung (23/400 V): Batteriespeicher auf dieser Ebene spielen für netzbildende Funktionen keine Rolle.

Praxisbeispiele aus dem Kanton St. Gallen

Im Kanton St. Gallen zeigen zahlreiche Projekte, wie BESS gezielt zur regionalen Netzstabilisierung eingesetzt werden:

  • Gossau (SG): Ein 2,5-MW-Speicher stabilisiert die Netzfrequenz und unterstützt Swissgrid mit Systemdienstleistungen.
  • Walenstadt: Mit einer Leistung von 3x 4,35 MW gehört diese Anlage seit Oktober 2023 zu den leistungsstärksten in der Region. Sie bietet Schwarzstartfähigkeit, Frequenzstabilisierung und wird am Regelenergiemarkt eingesetzt, um Flexibilitätsdienste zu vermarkten. Die Anlage ist grid-forming-fähig, wird jedoch im Normalbetrieb als grid-following betrieben und liefert Regelenergie. Trotz ihrer regionalen Größe ist sie international gesehen vergleichsweise klein. Das Batteriespeichersystem zeigt exemplarisch, wie  Speichertechnologien in der Schweiz effektiv genutzt werden können.
  • Weitere Standorte: Projekte in Kaltbrunn, Mels, Rheineck und Weite/Sargans adressieren spezifische Anforderungen:
    • Inselbetrieb und Netzautarkie in abgelegenen Gebieten
    • Stabilisierung lokaler Stromnetze durch Systemdienstleistungen
    • Unterstützung regionaler Verteilnetze bei Spitzenlasten

Grid Following versus Grid Forming

Für die erfolgreiche Energiewende sind netzbildende Technologien (grid-forming) entscheidend:

  • Sie ermöglichen die flexible Integration erneuerbarer Energien und erbringen in Verbindung mit Speichern wichtige Systemdienstleistungen, die bisher von konventionellen Kraftwerken erbracht werden.
  • Sie stabilisieren das öffentliche Stromnetz in Bezug auf Spannung und Frequenz und bilden die Grundlage für einen möglichen Netzwiederaufbau.
  • Netzfolgende Technologien (grid-following) folgen dagegen den Vorgaben des öffentlichen Stromnetzes und liefern hauptsächlich Regelenergie.

BESS mit netzbildenden Batteriewechselrichtern können folgende Systemdienstleistungen übernehmen:

  • Spannungs- und Frequenzstabilität: Sie fungieren als Spannungsquelle und stabilisieren durch ihre Momentanreserve die Frequenz, ähnlich den Schwungmassen konventioneller Kraftwerke.
  • Schwarzstartfähigkeit und Inselnetzbetrieb: Sie können als Inselnetz arbeiten und im Falle einer Störung den Netzbetrieb wiederherstellen.
  • Netzentlastung: Bei zunehmender Integration erneuerbarer Energien können sie schwache Netze ebenfalls stärken, indem sie Lasten verschieben.

Referenzprojekt Walenstadt

Das BESS Walenstadt ist aktuell der größte Batteriespeicher in der Ostschweiz. Beteiligte Partner sind:

  • WEW – Wasser- und Elektrizitätswerke Walenstadt: Betreiber eines Drittels des BESS
  • Zenna AG: Bauherrenbegleitung für das WEW
  • SMA Altenso GmbH: Systemintegrator
  • 49Komma8 AG: Projektentwickler und Generalplaner

Seit Ende Oktober 2023 liefert die Anlage mit 3 x 4,35 MW Leistung netzbildende Systemdienstleistungen. Mit der Lösung von SMA, bestehend aus sechs Medium Voltage Power Stations (MVPS) mit Batteriewechselrichtern sowie dem Energie- und Power-Management-System (SMA Hybrid Controller), wird eine optimale Steuerung und Koordination der Speicher gewährleistet.

Die drei Anlagen Walenstadt I, II & III verfügen jeweils über 5 MWh Speicherkapazität und sorgen so für höhere Versorgungssicherheit und Netzstabilität. Der wirtschaftliche Betrieb wird durch Einnahmen aus dem Regelenergiemarkt unterstützt, wodurch sich die Anlage in fünf bis acht Jahren amortisiert.

49Komma8 AG - BESS Walenstadt

Ein weiterer Schritt: Der Energiepark Teufen

Ein weiterer Großbatteriespeicher ist im Energiepark Teufen (Kanton Appenzell) geplant. Mit einer Kapazität von 8,32 MWh und einer Leistung von 6,8 MW wird der Speicher multifunktional genutzt. Neben der Bereitstellung von Systemdienstleistungen wird er auch Schnellladeleistung für LKW- und PKW-Ladestationen bereitstellen.

Fazit & Ausblick

Projekte wie die im “MVPS-Valley” zeigen eindrucksvoll, wie netzbildende Speichertechnologien die Energiewende in der Schweiz unterstützen und aktiv vorantreiben können. Sie schaffen die Grundlage für eine sichere, flexible und zunehmend erneuerbare Energieversorgung.

Auch wenn die Schweizer Anlagen im internationalen Vergleich kleiner dimensioniert sind –etwa im Vergleich zu Großspeicherprojekten wie Blackhillock oder Kilmarnock in Großbritannien, die bereits dauerhaft netzbildend arbeiten– verdeutlichen sie, wie grid-forming-fähige Batteriespeicher künftig gezielt zur regionalen Netzstabilisierung beitragen können.

3 Fragen an Christian Dürr, CEO 49Komma8 AG

Mit Verweis auf die VSE Roadmap Versorgungssicherheit, was sind die wichtigsten Stellschrauben, um kurz-, mittel- und langfristig Versorgungssicherheit in der Schweiz herzustellen und gleichzeitig die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen?

Kurzfristig geht es darum, mehr Flexibilität ins Netz zu bringen – zum Beispiel mit Speichern, die schnell auf Schwankungen reagieren können. Mittelfristig braucht es Investitionen in moderne Infrastruktur. Und langfristig müssen erneuerbare Erzeugung, Speicherung und Netzbetrieb stärker zusammengedacht werden. Speichertechnologien sind keine Begleiterscheinung mehr, sondern ein zentrales Element der zukünftigen Versorgungssicherheit.

 

Laut einer VSE Studie „Energiezukunft 2050“ muss die Schweiz ihre erneuerbare Stromproduktion massiv ausbauen, um ihre Ziele Versorgungssicherheit und Klimaneutralität zu erreichen. In der gesamten Schweiz werden daher aktuell große Batteriespeicher realisiert. An welchen Projekten ist die 49Komma8 AG beteiligt?

Die 49Komma8 AG realisiert aktuell mehrere Großspeicherprojekte in der Schweiz in den Kantonen Graubünden, Appenzell Ausserrhoden, Wallis, Thurgau, Bern und Waadt. Die Anlagen übernehmen netztechnische Aufgaben wie Frequenzstützung, Schwarzstart oder lokale Netzstabilisierung. Dabei arbeiten wir eng mit Netzbetreibern und Partnerunternehmen zusammen, um die regionale Stromversorgung robuster zu machen.

 

Die Sicherstellung der Versorgungssicherheit ist neben dem Erreichen der Energie- und Klimaziele unabdingbar. Hierfür braucht es eine neue Energieinfrastruktur und sind Kooperationen unerlässlich. Welche Partner sind bei Ihren Großprojekten in der Regel involviert? Welche weiteren Stakeholder braucht es damit die Projekte zügig in die Umsetzung kommen?

Unsere Projekte realisieren wir in enger Kooperation mit regionalen Energieversorgern, Netzbetreibern und Technologiepartnern – z. B. SMA als Wechselrichterhersteller. Für die Umsetzung braucht es aber auch politische Unterstützung, Investoren und funktionierende Schnittstellen zwischen Bund, Kanton und Gemeinden – damit Planung und Betrieb Hand in Hand gehen.

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