Grüner Neustart – wann, wenn nicht jetzt?

Nach einer langen Pause werden morgen in vielen Ländern der Welt wieder Menschen bei Fridays for Future Protesten für mehr Klimaschutz auf die Straßen gehen. Das ist gut und richtig so. Denn die Klimakrise darf angesichts der Corona-Pandemie nicht aus dem Fokus von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft rücken. Im Gegenteil: Die Coronakrise hat gezeigt, was möglich ist, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Dieses Momentum müssen wir jetzt nutzen, um den Klimawandel zu stoppen.
In Kalifornien brennen die Wälder in nie gekanntem Ausmaß, in der Arktis schmilzt das Eis immer rasanter und der Golfstrom schwächt sich infolge der menschengemachten Erderwärmung immer weiter ab – mit dramatischen Folgen für das Klima. Dennoch gibt es immer noch Stimmen, die angesichts der negativen Auswirkungen der Coronakrise auf die Weltwirtschaft eine Rücknahme bereits beschlossener Klimaschutzziele und eine alleinige Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum fordern. Diese Sichtweise halte ich für kurzsichtig und grundfalsch. Um die Wirtschaft zukunftssicher aufzustellen, brauchen wir nicht weniger Klimaschutz, sondern mehr. Das belegt auch eine neue Studie von Wissenschaftler*innen des Mercator Institute on Global Commons and Climate Change. Nach ihren Berechnungen würde ein Anstieg der globalen mittleren Oberflächentemperatur um etwa 3,5°C bis zum Ende des Jahrhunderts die globale Produktion um 7 bis 14 Prozent verringern.
Gute Ansätze sind vorhanden …
Damit dies nicht eintritt, müssen wir jetzt die historische Chance nutzen: Gestalten wir die globale Wirtschaft nach der Zäsur durch die Coronakrise nachhaltig, klimafreundlich und krisenfest. Es gibt bereits einige Initiativen, die dafür in die richtige Richtung weisen. Dazu gehört der European Green Deal und die damit verbundene Forderung der EU-Kommission, den Treibhausgas-Ausstoß der EU bis 2030 um mindestens 55 statt nur um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. In den USA könnte der „Plan for a clean Energy Revolution and Environmental Justice” des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden die entscheidende Kehrtwende einläuten. Auch große Teile der Wirtschaft haben bereits erkannt, dass es kein „weiter so“ geben darf und positionieren sich entsprechend. Positiv stimmt mich außerdem, dass sich viele Konsument*innen im Zuge der Coronakrise auf wichtige Werte wie Qualität und Nachhaltigkeit besinnen.
… die Bundesregierung hat aber leider noch Nachholbedarf
Das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakrise ist also durchaus in vielen Bereichen vorhanden – leider jedoch nicht überall. Das zeigt auch der gestern vom Kabinett beschlossene Entwurf für die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Anstatt Hindernisse für den erforderlichen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien aus dem Weg zu räumen, bremst dieser Entwurf die Treiber der Energiewende brutal aus. Um nur die wichtigsten Punkte zu nennen: Die dort festgelegten Ausbauziele für Photovoltaik und Windkraft sind viel zu niedrig. Der Eigenverbrauch von günstigem Solarstrom aus neuen Dachanlagen und Anlagen, die aus der Förderung fallen, wird durch die Beaufschlagung mit der EEG-Umlage künstlich verteuert, eine Nachrüstung mit Speichern wird unattraktiv. Zusätzlich soll eine Ausschreibungspflicht für Aufdachanlagen ab 500 kW eingeführt werden, bei der Eigenverbrauch verboten sein soll. Dabei ist es gerade für Unternehmer sinnvoll, die Dächer ihrer Gebäude zur klimafreundlichen und kostengünstigen Stromversorgung zu nutzen. Eine attraktive Anschlussregelung zur weiteren Nutzung von aus der Förderung fallenden PV-Anlagen fehlt in dem verabschiedeten Entwurf ebenfalls. Die Bundesregierung bremst also nicht nur den Zubau neuer PV-Anlagen aus, sondern befördert auch den Wegfall bereits bestehender PV-Kapazitäten. Ihre Klimaziele wird sie so niemals erreichen.
Jeder kann einen Beitrag leisten
Deshalb, aber auch um deutlich zu machen, dass überall den Worten nun entschlossene Taten folgen müssen, muss der Druck von der Straße auf die Politik erhalten bleiben. Auch darüber hinaus kann jede und jeder von uns einen Beitrag für einen grünen Neustart leisten. Egal ob beim Klimastreik, bei persönlichen Kaufentscheidungen, in den Führungsetagen von Unternehmen, in Gremien, Verbänden und auf allen politischen Ebenen: tun wir das Richtige – jetzt!
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!